Monday, July 16, 2012

Kaffee ohne Zigaretten

Guten Morgen!

Schon seit langem gehört dies zu meinem morgendlichen Ritual: im Halbschlaf wird der Kaffee bereitet -

in so einer Bodum-Kaffeepresse, mit ordentlich Rahm und Zucker, und auch gerne mal einem Stückchen Butter für die ganz Verzweifelten, die nicht wissen, wie sie den Tag über genug Kalorien aufnehmen sollen -

dann setze ich mich an meinen Tisch, nehme einen Schluck von dem Gebräu, und lass die Finger denken. Meistens habe ich genug zu erzählen - was gestern war, was heute sein wird, was mein Kopf so treibt, und auch häufig, was ich denn so geträumt habe.

Speaking of which, ich hatte am Freitag einen herrlichen Traum. Leider erinnere ich mich nie so gut an meine Träume, wie ich es gerne hätte, aber ich habe mir sagen lassen, dass sie durchaus sehr klar seien. Klar ist zumindest in den meisten Fällen, was dahintersteckt, und Träume zu veröffentlichen fühlt sich mehr als alles andere an, als würde ich ein Stückchen Seele von mir im WWW freilassen (die wächst nach, keine Sorge). Aber die meisten Menschen sind sowieso blind, und die, die sehen können, die brauchen keine Träume um zu sehen. Für die ist alles ein Traum.

Der Traum also. Ich hatte ihn beinahe vergessen, bis er mir am Samstag mitten in der Nacht, während ich unter Bäumen zu Bumm Bumm herumzappelte, um mich zu wärmen, wieder einfiel mit einer seltsamen Wucht - als ob ich etwas Grundlegendes gesehen, aber nicht erkannt hätte. Es ging um Züge, und um Hotels, und um Missionen, die unsereiner zu erfüllen hatte. Möglicherweise waren wir Vampirjäger, aber das liegt wohl an Supernatural. Ich jage keine Vampire. Ich erinnere mich an düstere Züge, die im Untergrund fahren, wie eine U-Bahn, aber es waren Fehrnverkehrszüge. Ungewohnt für hiesige Gefilde: die Sitze sind an der Seite angeordnet, wie man es von Tokyo kennt, nicht in Vierergruppen. Die Züge sind nicht unbedingt schmutziger als hier, die Zeiten sind vorbei, als man noch von den Zugböden essen konnte, haben aber diese schäbige Patina, wie man sie nur von Grossstädten kennt. Dann erinnere ich mich an Bahnhöfe, ebenfalls im Untergrund, bis auf Uns verlassen, und an Hotels, an Gänge in Hotels, mit den ewig gleichen Türen, und an das verzweifelte Gefühl, das mich beschleicht -

Hotelzimmer habe ich gejagt! Ich war nicht alleine (obwohl ich nicht so recht weiss, ob Du dabei warst, ob das Du warst...) aber ich brauchte aufs Verzweifeltste ein Hotelzimmer für mich selbst, denn ohne Hotelzimmer hat man keinen Ausgangspunkt, von dem aus man, hm, Vampire jagen kann (Ach, Supernatural, die Banalität, die du hier hereinbringst...) Die Zimmer sind riesig, und voller unseresgleichen. Viele Begegnungen, viele irritierende Begegnungen. Und diese Unruhe, diese Rastlosogkeit, das Getriebene... Ich weiss leider weder, ob ich eines gefunden habe - ich glaube schon, aber irgendwas war suspekt dabei - noch, was denn genau passiert ist. Nur dieses Bild: in schmutzigem Grau gehaltenen Züge, Bahnhöfe und Gänge, in denen nur Rot einen Kontrapunkt setzt, Menschen, Begegnungen, und dieses eigenartige Gefühl...

Nun, wir brauchen nicht allzuweit zu suchen.

(Hier kommt übrigens der Punkt, an dem ich mich kurz ablenke und woanders herumlese. Oder aufs Klo gehe. Oder sonst irgendwas nicht-schreibendes tue. Ich gucke auch in die Kaffeetasse (noch gut 3 cm Kaffee, das ist nicht schlecht).

Wir brauchen auf jeden Fall wirklich nicht allzuweit zu suchen. Es sind zwar Züge statt Flugzeuge, aber unsereins braucht vermutlich noch etwas mehr Bodenhaftung. Ich seh übrigens Deine Dunkle Silhouette vor dem Fensterkreuz, den Koffer in der Hand, in die Weite schauend - unsereins Dir auf den Rücken blickend, dir nachblickend, als Manifestation dieser immerwährenden Sehnsucht, die niemals vergeht, weil sie nicht befriedigt werden will. Ausser Dort, vielleicht vergeht sie Dort. Vielleicht will sie Dort hin.Wer weiss, unsereins kann sich keine Flugtickets leisten. Da kommt wieder dieses Thema ins Spiel, dieses schmutzige... uuuuhhhhh Arbeit. Sich verkaufen. Was für ein Dilemma: das, was man wirklich gut kann, will man nicht verkaufen, weil man es lieber verschenkt, und diese Dinge, die man verkaufen könnte, die will man nicht tun, weil sie langweilig sind.

Na also, geht doch! Ich habe befürchtet, dass es mir schwer fallen würde, ohne Rahmen zu schreiben, das ist etwas, das ich schon lange nicht mehr getan habe. Aber es stellt sich heraus, dass es sich wie bei den Comicfiguren verhält, die auf Luft gehen können, solange sie nicht bemerken, dass ihnen der feste Boden unter den Füssen fehlt... Ich lege einfach alle Rahmen übereinander, Ha! So erhält man zwar kein konsistentes Bild, aber das gibt dem ganzen ja diesen super-artsy Anstrich, dieses kunstvoll geflickte Aussehen, von dem man nie weiss, ob es Zufall ist oder komplett durchchoreografiert, falls das einen Gegensatz darstellt.

(Mir ist übrigens in letzter Zeit häufiger aufgefallen, dass ich, um auf mich zu referieren, die erste, die zweite und die Dritte Person Singular verwende - letzteres gerne in der unpersönlichen Form "man" - sowie die erste Plural. Wobei ich es natürlich handhabe wie alle anderen: Ich verwende, um auf mich zu referieren, dich verwende, zum aufs Du zu referieren, er, sie, es oder man für die Sich-Referenz, und dieses unsägliche, alles verschlingende Wir für Uns. Ja, Ihr gehört alle dazu, Ihr entkommt mir/uns/ihr nicht. Hier bist Du aber nicht Ich - oder vielleicht gerade doch?)


Jetzt kommt der Punkt im Kaffee, an dem man schon sehr verzweifelt sein muss: ein paar Millimeter noch, hauptsächlich Satz und klebriger Zucker, bedeckt von einigen Fettaugen. Jetzt kommt auch der Punkt, an dem es ein bisschen zappelig wird. Unsereins lenkt sich noch ein bisschen ab, liest nochmals Korrektur und drückt auf "Senden". Oder "Antworten". Oder "Veröffentlichen". Beim nochmaligen Durchlesen stellt man fest, dass da auch die dritte Person Plural auftaucht, was natürlich sofort vermerkt werden muss. Das eine oder andere Wort wird ausgetauscht, der eine oder andere Gedanke ergänzt, gelöscht, die Linearität zu einer Kugel gebogen.

Guten Morgen! Nimue muss jetzt waschen und aufräumen und zum Zahnarzt, und endlich ihre Seminararbeit schreiben. Das wird ein Spass! Wenn für den gut vorbereiteten Geist der Tod nichts weiter ist als das nächste grosse Abenteuer, dann gilt das bestimmt auch für den Zahnarztbesuch.

Oszillierend,

Nimue.

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